Landesgericht
L E O B E N
Dr. Hanns-Groß-Straße 7
8700 Leoben
GZ.: ,,,,,,,,,/10 y
Beschuldigter: XXXXXXXXXX
wegen: § 206 StGB
E I N S P R U
C H
gegen die
AN K L A G E S C H R I F T
1-fach
1 Rubrik
In außen bezeichneter Strafsache erhebe ich durch meinen ausgewiesenen
Verteidiger innerhalb offener Frist gegen die Anklageschrift vom 15.11.2010, ON 11, nach erfolgter Zustellung
E I N S P R U C H
wie folgt:
Als Gründe, wonach gegen die Anklageschrift der Einspruch zusteht, werden
gem. § 212 Zf 2 und Zf 3 StPO geltend gemacht, wobei aber andererseits auch die Voraussetzungen im Sinne des § 211 Abs 2 StPO
vorliegend und wiederum die Voraussetzungen nach § 212 Zf 4 StPO gegeben sind.
In diesem Sinne wird der Einspruch technisch ausgeführt, wobei zusätzlich
auf den Beweisantrag vom 13.09.2010 Bezug genommen wird, wonach die Beiziehung eines psychiatrischen SV zum Zwecke der Erhebung
eines Gutachtens über die Aussageehrlichkeit der Anzeigerin, bezogen auf den Tatzeitpunkt, bereits in diesem Beweisantrag
beweistechnisch Bezug genommen wurde, sodass aus diesen Gründen primär auf § 212 Zl 3 Bezug genommen wird, wonach der Sachverhalt
noch nicht soweit geklärt ist, dass eine Verurteilung des Angeklagten möglich erscheint, der noch nicht rechtskräftig angeklagt
wurde, geklärt ist.
Zusätzlich wird ausgeführt, dass tatsächlich am 13.09.2010 die Tochter
des Anzeigers Äußerungen abgegeben hat, wonach diese ihren Vater „hinein lassen“ werde, wobei ausgeführt wurde,
dass nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit davon aus zu gehen ist, dass es sich tatsächlich um die Tochter
gehandelt hat.
In diesem Zusammenhang wird wiederum, Bezug nehmend auf die Anklageschrift
ausgeführt, dass in Seite 8 der Anklageschrift aufscheint, dass die Einvernahme eines Zeugen beantragt wurde, dass die Zeugin
ihren Vater „in dieser Angelegenheit hinein lassen werde“!
Offensichtlich im Beweisantrag nicht dargelegt werden konnte, ob es
sich bei jener Person, welche diese Aussage tätigte, um die Zeugin Bianca Schwaiger gehandelt hat.
In diesem Zusammenhang wird wiederum ausgeführt, dass das erste Strafverfahren
gegen ...... zum damaligen Zeitpunkt, wie aus der Begründung der Anklageschrift, Seite 3, 3. Absatz, ersichtlich, durch Freispruch
selbst geendet hat, wobei ausgeführt wird, dass sich die Tochter, das vermeintliche Opfer des ersten Verfahrens, sich nicht
nur beim Vater entschuldigte, sondern auch erklärte, sie wolle wiederum bei ihm wohnen; daraus erhellt, dass es sich in der
Gesamtheit tatsächlich, wie bereits dargestellt, um eine Familienintrige handelt, welche vielfach gesteuert wurde und auch
das Verfahren bei der STA Leoben, GZ.. mmm/10 v, in die gegenständliche Angelegenheit ein zu beziehen ist.
In diesem Zusammenhang wird wiederum ausgeführt, dass der Einspruchsgrund
des § 212 Zl 3 StPO auf Verfahren abzielt, in welchen die STA von möglichen Erhebungen Abstand nimmt und auf Basis eines nicht
hinreichend aufgeklärten Sachverhaltes steht.
Dies betrifft insbesonders Fallkonstellationen, in welchen auf Grundlage
der Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens eine Verurteilung zwar grundsätzlich möglich, aber rein spekulativ wäre und bietet
auch die Regelung Schutz gegen voreilige Anklagen und verhindert, dass eine Hauptverhandlung durchgeführt wird, obwohl zum
Zeitpunkt des Einbringens der Anklage realistisch nicht damit gerechnet werden kann, dass auf Grundlage der unzureichenden
und mangelnden Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens eine Verurteilung erfolgen wird (Fabrizy,
StPO10, § 212, Rz5).
In diesem Zusammenhang wird zusätzlich ausgeführt, dass die Beurteilung
einer Zeugin an sich gem. § 258 Abs 2 StPO grundsätzlich dem erkennenden Gericht vorbehalten ist, in Ausnahmefällen kommt
aber eine Hilfestellung durch einen SV in Betracht, insbesonders, wie in gegenst. Fall, ein Psychologe, Familienpsychologe
oder ein SV aus einer artverwandten Fachrichtung überhaupt keine Tätigkeit entfaltet hat; dies unbeschadet der Frage, ob seitens
der Zeugin eine Zustimmung zur psychologischen Exploration erteilt wurde; man darf nicht übersehen, dass in gegenst. Fall
die Zeugin selbst nicht mehr minderjährig ist - zu dieser Problematik siehe allgemein: Ratz, WK-StPO § 281, Rz 350.
In diesem Zusammenhang wird wiederum verwiesen, dass es sich in der
Gesamtheit um eine mehrfach gesteuerte Familientragödie handelt, wobei auch auf den ob genannten Akt der STA Leoben, GZ.:
GZ.. , Bezug genommen wird.
Folgt man allgemein den Ausführungen in den Gründen der Anklage, wo
aufscheint, dass bei fast allen Besuchskontakten zwischen dem 07. und 08. und ca. 12. Lebensjahr die in Rede stehenden Missbrauchshandlungen
statt gefunden haben, dass hier wohl die Glaubwürdigkeit bis an die Grenze erschüttert ist und kann eine exakte Prüfung und
Abklärung hier nicht mehr dem erkennenden Gericht selbst, auch ausgehend von der Mündlichkeit und Unmittelbarkeit, welche
der Hauptverhandlung vorbehalten sein soll, zumal ohnehin in diesem Fall davon aus zu gehen ist, dass in der Hauptverhandlung
selbst die Öffentlichkeit mit absoluter Sicherheit ausgeschlossen ist und es Aufgabe der STA gewesen wäre, von diesem Gesichtspunkt
aus bei Durchführung der beantragten Beweise, wie bereits dargestellt, die Ermittlungen vom Gesichtspunkt der materiellen
Wahrheit durch zu führen, wobei in diesem Zusammenhang angemerkt wird, dass auf Grund des Datums des Beweisantrages für diese
Prüfung vom rechtlichen Gesichtspunkt genug Zeit zur Verfügung gestanden wäre.
In diesem Zusammenhang wird wiederum auf die Bestimmung des § 211 Abs
2 StPO Bezug genommen, dass die Anklageschrift selbst den Erfordernissen des § 212 Zl 4 StPO nicht entspricht, wenn in der
Anklageschrift aufscheint, dass tatsächlich die Beweisanträge nur mehr zu verlesen sind, wobei in diesem Zusammenhang an zu
führen ist, dass die Beweisanträge an sich, ausgehend von den Bestimmungen der formellen Nichtigkeitsgründe, verfristet wären.
Daraus ergibt sich wiederum, dass der Einspruch gegen die Anklageschrift
verfahrensrechtlich in jeder Hinsicht gerechtfertigt erscheint.
Weiters ergibt sich aus dem Akt selbst, dass keinesfalls davon aus zu
gehen ist, dass seitens des vermeintlichen Opfers eine spontane Erstaussage vorliegt, sondern exakte psychologische Befragungen
im Sinne einer Erstaussage nicht gegeben waren und auch geschulte Fachkräfte bei den Erhebungen nicht beigezogen waren. Dazu
kommt weiters, dass vor allem das familiäre Umfeld tatsächlich seitens der Anklagebehörde nicht erhoben wurde; dies unbeschadet
der rechtlichen Frage, ob tatsächlich eine Zustimmung für eine Begutachtung des Opfers an sich erforderlich war.
Unabhängig davon wäre die Anklagebehörde verpflichtet gewesen, eine
psychologische Stellungnahme auf Grund der gegebenen, vorhandenen Materialien des Aktes an sich ein zu holen – siehe
hierzu „Psychologie im Familienrecht“, Bad Boll, 1998.
Unter Berücksichtigung der Besonderheit des Falles sind hier sogar in
der Gesamtheit die Grundsätze eines familienrechtlichen Verfahrens, so weit dies die Momente eines Glaubhaftigkeitsgutachtens
betrifft, rechtlich an zu wenden, wobei im derzeitigen Stadium des Verfahrens zu Gunsten des Beschuldigten von der Null-Hypothese
aus zu gehen ist.
Dazu kommt weiters, dass aus dem Akt in keiner Weise ab zu leiten ist,
dass entsprechende Symptome an sich auf Grund des inkriminierten Missbrauchsvorwurfes gegeben sind oder feststellbar waren.
Vom psychologischen Gesichtspunkt ist hier wiederum, so weit dies das
Bewusstsein betrifft, davon aus zu gehen, dass es sich hierbei nicht um eine Frage handelt, welche im Bewusstsein gelegen
ist, sondern es sich um ein Phänomen des Erinnerns handelt, welches sich „der Körper merkt“; gerade diese Voraussetzungen
sind nicht gegeben, wobei auf Grund der Gesamtheit der Situation und des Trennungserlebnisses und der Scheidung auf Grund
weiterer Erhebungen sich tatsächlich auch eine Aversion gegen den Vater selbst entwickelt habe könnte.
Zu diesen Ausführungen wird zusammenfassend angemerkt, dass entsprechende
Symptome des vermeintlichen Opfers in keiner Weise erkennbar waren.
Unter Bezugnahme auf § 212 Zl 3 und 4 StPO muss wiederum gesagt werden,
dass seitens des Beschuldigten im Beweisantrag vom 29.07.2010 ausgeführt wurde, dass dieser auf Grund der gegenstandslosen
Anschuldigungen in Verbindung mit dem nunmehr aufgetretenen Krankheitsbild dieser, wie beweislich ausgeführt, in fachärztlicher
Behandlung stand (steht) und wiederum ausgeführt wurde,
dass er nicht in der Lage war, sich auf Grund seiner Vorerkrankung bei
der Vernehmung entsprechend zu artikulieren, wobei wörtlich im Schriftsatz – Beweisantrag vom 29.07.2010 beweislich
dargelegt wurde, dass er nur erklärt hat, „ich woar´s net“.
Der Beschuldigte war bereits auf Grund seiner ersten, unschuldigen Anklage,
von der er seitens des LG Leoben zur bekannten GZ freigesprochen war, fertig gemacht worden, wobei in diesem Verfahren auf
Grund der weiteren Erhebungsmomente und der Äußerung der Tochter davon aus zu gehen ist, dass in diesem Verfahren jegliches
Verschulden, gemeint das Erst-Verfahren, wo der Freispruch erfolgte, aus zu schließen ist und vom Gesichtspunkt der Lehre
und der Rechtsmedizin dies auch mit Sicherheit auf den gegenst. Fall zu übertragen ist.
Der Anklagebehörde ist auch vor zu werfen, dass beim Beschuldigten,
gerade, wie sich dies auf Grund des Akteninhaltes, der erfolgten Vernehmung und dem Hinweis auf den relevanten Beweisantrag
vom 29.07.2010 ergibt, dass geistige und psychische Momente zu berücksichtigen sind, wenn man die Gesamtheit des Falles und
die Erhebungsergebnisse berücksichtigt- siehe hierzu Mönkemöller O., Psychologie und Psychopathologie der Aussage, Heidelberg
1930, S. 83.
Zudem ist auch in gegenst. Fall beim relevanten Alter, bei dem die inkriminierte
Tat statt gefunden hat, die Psychologie des Menschenalters zu berücksichtigen.
Wie gesagt, handelt es sich um eine Familienintrige und erscheinen Mädchen
im relevanten Alter, wie aus der Anklageschrift ersichtlich, besonders suggestibel und ist davon aus zu gehen, dass auch die
erste Tochter, Bezug nehmend auf die obigen Ausführungen, erfasst war.
Auch darf rechtlich auf Grund von Aussagen, wenn sie sich auf den Zeitpunkt
des Kindesalters beziehen, ein Schuldspruch nicht gefällt werden, wobei dies gerade bei Sexualdelikten relevant erscheint
– siehe Müller-Luckmann Elisabeth über die Glaubwürdigkeit kindlicher und jugendlicher Zeugen bei Sexualdelikten, Stuttgart
1959, wobei in diesem Zusammenhang auf eine erforderliche, psychologische und psychiatrische Sachverständigenanalyse im Sinne
einer Realitätsanalyse mit (möglichen) objektiven Beweismitteln und Fall konkreter Glaubwürdigkeit mit dem Willen zur Wahrheit
Bezug zu nehmen ist (Theodor Gössweiner – seinerzeit Vizepräsident des LG Leoben, forensische
Vernehmungskunde).
Daraus ergibt sich zusammenfassend, dass die gegenst. Anklageschrift
nicht nur auf tönernen Beinen steht und in der Gesamtheit auf Grund der Tragik der Familiengeschichte nicht zu verantworten
ist.
Aus all diesen Gründen stellt der noch nicht rechtskräftig Angeklagte
den Antragt, das OLG Graz wolle:
1)
die Anklageschrift zurück weisen;
2)
in eventu das Verfahren einstellen;
3)
das Verfahren zum Zwecke weiterer Erhebungen
an die STA Leoben zurück verweisen;
2010-12-01
Freispruch